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With a little help ... Stardust
Hören wir in einer lauten Welt auf die leisen und unverlorenen Menschen, die uns mit ihrer Kunst,
ihren Worten, Taten, Gesten oder Zeichen die Sicht auf Gründe und Abgründe schenken,
dann hören wir den Staub der Sterne ...
- Carly Simon ... Another View
Prologue:
Natürlich kannte ich ihre Hits You're so vain und Nobody does it better,
aber der Rest ist so ziemlich an mir vorbeigegangen, den ich nun mit über 50 Jahren entdecke.
Ich verhalte mich dabei wie ein Teenager,
der sich die schwer verdiente Platte immer und immer wieder anhört,
bis sich die Nadel auf der anderen Seite durchbohrt.
Zum Glück hinterläßt der Laser keine Spuren auf der CD ...
Es braucht eine Zeit ehe ich mir einen Überblick über
Carlys Platten gemacht habe und merke, dass man ihr nicht gerecht wird,
wenn man sie nur als Rock-Pop-Singer-Songwriter bezeichnet, wie es oft heißt.
Zu vielfältig sind die Stile und Talente, die sie bedient und hat.
Das, aber auch meine "aktuelle Empfänglichkeit" mich von Carly entführen zu lassen,
lässt diese Rezeption im Verhältnis zu den anderen Beiträgen auf dieser Seite viel zu lang geraten.
So soll's denn sein,
aber ich will wenigstens Ordnung halten und gehe "nüchtern" chronologisch vor:
- 1971: Carly Simon
Schon das erste Stück That's the way I've always heard it should be ihrer Debut-Platte
lässt Großes erwarten.
Carlys Komposition und das einfühlsame Arrangement nehmen einen sofort gefangen,
wie auch der pittoreske Text von Jacob Brackman,
der noch viele hervorragende Texte zu ihren Liedern schreiben sollte.
In diesem geht es um die "Liebes-Institution" Ehe,
die mit Heirat, Kinder, Haus und Wohlstand beginnt,
und mit dem Lecken von Wunden und Verstecken von Narben endet.
Weitaus weniger bekannt,
aber kurios wie hörenswert ist auch der Ragtime Rolling down the hills,
in dem man schon eine Jazz-Ader erahnen kann ...
- 1971: Anticipation
Julie through the glass ist das wohl schönste Lied, das man einem Neugeborenen schenken kann.
Wer sein Kind mit der Philosophie dieses Walzers großwerden lässt,
hat ihm bereits das Wichtigste gegeben:
Sich selbst liebenzulernen, bevor man Liebe geben und empfangen kann.
Die Tochter ihrer Schwester Lucy, hat eine tolle Tante ...
In ihrem ersten Bossa Summer's coming around again,
der stimmungsvoll zwischen Gitarre und Klavier balanciert,
bedient sie sich nicht einfach nur des brasilianischen Rhythmus'
und entsprechender Harmonien, sondern bleibt ihrer eigenen Tonsprache treu und man hat
eben nicht den Eindruck,
dass sie auch mal "brasilianisch" sein möchte,
so wie manch andere diesen musikalischen Ausflug unternehmen.
Als Spieler,
Kenner und Liebhaber brasilianischer Musik bin ich eifersüchtig kritisch und hau' zumindest
gedanklich gerne Nicht-Brasilianern auf die Finger, die sich an "meiner" Musik vergreifen.
Carly aber darf das, denn sie weiß,
dass das Beherrschen von Werkzeug wie Rhythmus und Harmonie noch lange keine Inhalte ausmacht.
Es sollten noch etliche Beispiele folgen,
die das zeigen und mich nach und nach von ihr eingenommen haben ...
- 1972: We have no Secrets
Es sollte ihre erfolgreichste Platte mit ihrem bekanntesten Hit werden,
eine der besten Rock-Nummern, die jemals geschrieben worden sind: You're so vain,
bei dem Mick Jagger ungenannt im Background singt und
ihr bis heute voyeuristisch die Frage gestellt wird,
wen ihrer Liebhaber sie denn nun für so eitel hält.
Dieser große Erfolg war Segen und Fluch zugleich,
denn von der Masse sollte sie nur noch auf diesen Song reduziert werden.
Mein Favorit ist allerdings The Carter family,
wieder ein Walzer, den ich in meiner Phantasie etliche Male für mein Jazz-Trio bearbeitet habe.
Genau wie Bill Evans, der wohl die meisten Walzer unter den Jazz-Musikern spielte,
liebe auch ich den ungeraden Takt,
der schon im Mittelalter Tempus perfectum genannt wurde,
entgegen dem geraden Tempus imperfectum.
Also irgendwas muss doch dran sein ...
Und dann ist da noch der wunderbare Folk-Song It was so easy,
dem man sich in seiner schlichten Nostalgie gerne ergibt.
- 1974: Hotcakes
Zuerst fand ich Mind on my man, diese "Hymne" auf den eigenen Mann etwas sentimental,
und als sie dann noch anfing zu pfeifen,
gab ich mich meinem Irrtum vollends hin. Das wurde aber schnell revidiert.
Schubladendenken kann hilfreich sein, um im Kopf Ordnung zu halten,
aber hin und wieder muss man diese Schubladen aufräumen ...
Das Stück ist nicht mehr und nicht weniger als ein einfaches und wunderschönes Liebeslied.
Und ihr Pfeifen erinnert eher an Tom Sawyer,
wie er seiner Becky die Liebe lausbubenhaft, aber dennoch erwartungsvoll pfeift,
als dass es eine zunächst scheinbare Sentimentalität betont. Es war das erste Mal,
dass sie auf ihren Platten gepfiffen hat und sollte zum Glück nicht das letzte Mal gewesen sein
... Ich liebe es, wenn sie pfeift!
Ihre beiden älteren Schwestern Joanna & Lucy beschreiben das
Kind Carly als Clown mit exzentrischer Fröhlichkeit.
Genau das spürt man bei Hotcakes:
Ein Rap zu einem abgefahrenen Bläser-Arrangement von ihrem Mann James Taylor.
Ein kurzes wie schräges Stück, das aber Carlys überraschende Wandlungsfähigkeit zeigt,
denn vieles bei ihr ist nicht so, wie es scheint.
Carly ist damit eine der Ersten, die rapt, bevor Rap einige Jahre später zur Mode wurde.
Und das was ihre ältere Schwester schon durfte und sie auch gerne getan hätte,
hört man in dem vergnüglichen und swingenden Older Sister.
Mit ihrem Mann,
der selber ein namhafter und genialer Musiker ist
und bis kurz vor ihrer Scheidung 1983 auf ihren Platten als Arrangeur,
Musiker und Komponist mitwirkte,
singt sie hier das erste Mal in ihrer Diskographie zusammen.
Es sollte die frischeste aller Fassungen des Soul-Klassikers Mockingbird werden.
Und die beiden Walzer Forever my love und Grownup
lassen mich immer mehr an Carlys Walzerliebe glauben,
und dass sie sich im 3/4-Takt noch intensiver ausdrücken kann. Es waren nicht die letzten ...
- 1975: Playing Possum
Als dieses Album im prüden Amerika mit den bis dahin erotischten Fotos auf dem
Cover einer "Frauen-Platte" herauskam, wurde es aus manchen Geschäften verbannt.
Dabei hat der Fotograf Norman Seeff nur sehr natürliche Fotos von Carly gemacht,
die eine kunstvoll ästhetische Erotik zeigen,
auf denen sie mit kindlichem Übermut und ansteckendem Lachen eine unwirkliche
Mischung aus Erotik-Ikone, verspieltem Mädchen und frechem Lausbub darstellt.
Es sollten ihre besten Coverfotos werden.
Aber ob sie sich nun wie hier in seidener Unterwäsche mit kniehohen Stiefeln ablichten lässt
oder nicht, wer darin partout nicht die Ästhetik erkennen will oder kann,
hat ein gestörtes Verhältnis zur Kunst und Erotik ... auch für 1975.
Das 1. Stück After the storm enthält eine ihrer interessantesten Modulationen,
die auch den Jazzeinfluss verraten, zu dem ich aber später noch kommen möchte.
Dabei hatte sie nur die Finger über die Tasten wandern lassen, um zu sehen was daraus wird,
wie sie später in einem Interview sagte.
So, wie viele andere ihrer Stücke sich zum Verjazzen eignen,
würde es auch auf Jaco Pastorius' genialer Platte Word of mouth als originäre
Jazzkomposition durchgehen.
Und durch Carlys fantastisches und pittoreskes Arrangement
kann man das "Nach-dem-Sturm" nicht nur hören, sondern auch sehen ...
Are you ticklish ist ein weiteres "Jazz-Stück" (und -Walzer!),
erinnert aber zunächst durch den klassischen Satz von Klarinette und Posaune eher an
When I'm 64 von den Beatles, aber auch das ist ja etwas jazzig.
Mein Highlight ist das leicht vor sich hinfließende
Look me in the eyes,
mit einem ähnlichen Gitarrenpattern wie bei dem Folksong It was so easy (1972).
Aber die Harmonien, wie auch das E-Piano und der Synthesizer machen diesen Song eher zu einer
undefinierbaren aber wunderbaren Mischung aus Folksong und Soul-Ballade,
und meine Schubladen reichen nicht aus diesen Song zu fassen ...
Besonders in diesem Album fällt ihr Schleifen mit der Stimme und seinem dissonanten Effekt auf.
Was jedoch bei anderen Sängern oft Zeichen mangelnder Technik ist,
ist bei Carly stets virtuose Spielerei zwischen den Noten, denn stimmlich ist sie zu sicher.
Carlys "Ornamentik" ist vergleichbar mit dem Schleifer der Barockzeit,
der sich in vielen Verzierungstabellen u.a. auch bei Bach findet.
So schreibt sein Sohn Carl Philipp Emanuel in seinem Traktat von 1753,
dass der Schleifer über den Dissonanzen öfter vorkommt und diese ... geschickter sind,
Leidenschaften zu erregen als die Consonantzen ...
Die Affektenlehre folgt eben in jedem Musikstil denselben Gesetzmäßigkeiten ...
- 1976: Another Passenger
Für manche ist es das beste Album, das sie je gemacht hat, so auch für mich.
Nirgends sonst gibt es eine so hohe qualitative Dichte, beste Aufnahmequalität und
musikalische Interaktion.
Jeder Song ist ein Juwel und dennoch gehört diese Platte nicht zu ihren erfolgreichsten.
Mit It keeps you runnin' ist sie unglaublich soulig,
funkig, bluesig etc., was nicht nur ihrer Stimme, sondern auch dem Arrangement zu verdanken ist:
2 Gitarristen und 2(!) Schlagzeuger kommunizieren genial miteinander,
und der Part mit einem Marsch-ähnlichen Schlagzeug-Rhythmus
macht nicht zuletzt diese Fassung funkiger als das Original von den Doobie Brothers.
Cow Town ist ein rockiger Country-Song:
Wieder 2 geniale Gitarristen,
wovon einer eine ebensolche Steel-Guitar spielt,
machen zusammen mit den am Schluss einsetzenden "Cowtown-Fiddler" einen Clou aus!
Auf die Besetzung von Darkness 'til dawn
muss man erstmal kommen:
Piano, Marimba, Akkordion, Steel Drum und Mandocellos.
Van Dyke Parks ist damit die interessanteste Instrumentierung aller Lieder Carlys gelungen.
Ein Meisterwerk! ... ebenso ihre Komposition und der Text von Jacob Brackman.
Und dass Carly keinen geringeren als die Gitarrenlegende Laurindo Almeida mit seinem
langjährigen Kollegen Bud Shank bei He likes to roll verpflichten konnte,
rechne ich ihr hoch an. Und und und ... Platte kaufen!!!
- 1977: The Spy who loved me
Wenn ein fantastischer Komponist wie Marvin Hamlisch und sich eine großartige
Sängerin zusammentun,
muss einer der besten Filmtitel – Nobody does it better –
aller Zeiten herauskommen, mindestens aber der beste James-Bond-Titel!
- 1978: Boys in the Trees
Oder ist dieses das beste Album, das sie gemacht hat? Ich schwanke ...
Auf jeden Fall ist für mich ihr Song Boys in the trees ihr bedeutendster: Text wie Musik,
und auch hier wieder das Arrangement mit dem dezenten Marimbaphon und einem der besten
Gitarren-Intros, die ich kenne.
Etwas erinnert mich an die große brasiliansche Sängerin
Elis Regina und ihren Mann
César Camargo Mariano, der ihr viele Arrangements auf den Leib geschrieben hat.
Ich habe Como nossos pais von ihrer Platte Falso Brilhante (1976) im Ohr,
und auf einmal scheinen sich Carly und Elis so nah zu sein.
Ein Gedanke, der sich in meiner Phantasie verliert,
ich aber irgendwann weiterverfolgen muss. Was beide auf jeden Fall miteinander gemein haben,
ist die bedingungslose Hingabe im Gesang, so unterschiedlich sie musikalisch auch sein mögen,
oder scheinen ...
Was ihr musikalisch so einfällt,
wenn ihr eine Fledermaus ins Gesicht fliegt (wahre Geschichte!),
zeigt der Joke-Song De Bat (Fly in me face) im Afrobeat.
Alle scheinen viel Spaß bei der Aufnahme zu haben,
jedenfalls konnte Carly ihr Lachen an einer Stelle nur schwer unterdrücken.
Ein sehr beachtliches, aufhorchen lassendes Werk ist Haunting,
Carlys erste "symphonische Arie", wie ich es nennen möchte,
das wiedermal ihre enorme Vielseitigkeit zeigt.
Auch spürt man, dass sie die konventionellen Harmonieverbindungen sprengen will
und in einer fast impressionistischen Tonsprache ankommt,
die rein gar nichts mehr mit Rock und Pop zu tun hat. Später sollte sie es nochmal zitieren ...
One man woman von ihrem Mann ist ein klasse
rockiger Blues auf dem der Top-Saxophonist und -Jazzer Michael Brecker zu hören ist, der
schon seit 1974 bei Carly spielt und noch viele Jahre mit ihr arbeiten sollte.
Ihr Gesang zeigt einmal mehr was für eine rockige Blues-Sängerin sie sein kann.
You belong to me
ist eines der bekanntesten Stücke und nimmt mit funkigem Beat den
Zeitgeist der Disco-Welle auf,
wie auch Tranquillo (und Spy von der folgenden Platte).
Auch hier ist es beeindruckend
wie authentisch diese Stücke und Carly gänzlich auf den Leib geschrieben klingen
und nicht einfach nur Klon eines Stils sind. Auch ist die Musik nicht nur Tanz-Statist,
wie es oft in dieser Zeit der Fall war.
Sicherlich ist diese originäre Farbe auch Jazz- und Studiomusikern wie Steve Gadd, Richard Tee,
David Sanborn, Don Grolnick, Will Lee (der schon Carly und Lucy mit
12 Jahren auf ihrer 1. Platte begleitet hat!) und anderen Größen zu verdanken.
For old times sake habe ich zu meinem Lieblingslied von
Carly auserkoren! Natürlich ist es wieder ein Walzer,
hat eine großartige Instrumentierung – 2 Gitarren, Auto-Harp, Bass und Brandy-Gläser(!) –
und rührt mich jedes Mal zu freudigen Tränen ... Nicht weiter beschreiben, selber hören ...
Kaum eine andere Platte enthält so viele verschiedene Stile wie diese,
und Carly stellt sich mit ihrer Stimme von Stück zu Stück darauf ein.
Sie ist selten gleich, mal gehaucht, mal rockig, funkig, bluesig, mal intro- oder extrovertiert,
schüchtern, forsch, aber doch jedes Mal dem Stück angepasst,
was bei Sängerinnen aus dem Rock-Pop-Genre selten vorkommt.
Spätestens mit dieser Platte merkt man, dass man es mit einer Ausnahmekünstlerin zu tun hat,
die nicht einfach nur sehr gut ist. Aber die Reise geht noch weiter ...
- 1979: Spy
Auf diesem Album finden sich viele sehr persönliche Stücke, in denen Carly sehr offen,
wenn auch subtil über James und Eheprobleme singt.
Dabei gelingt es ihr poetisch, aber ohne banale Sentimentalität über ein wachsendes Leid zu singen.
Das kommt besonders in We're so close zum Ausdruck, welches für sie das traurigste Lied ist,
das sie je geschrieben hat. Es handelt über ihre Liebe,
die kein Zuhause braucht, die alle Entfernungen übersteht, die ohne Worte auskommt,
die so groß ist, dass sie letztlich auch keine Liebe braucht ...
Es gibt viele gute Stücke auf dieser Platte,
aber musikalisch finde ich Memorial Day am beeindruckendsten,
das jazzigste Stück, das sie geschrieben hat,
wofür einige der o.g. Musiker und als Neuzugang Warren Bernhardt und Mike Mainieri sorgen.
Mit über 8 Minuten ist es auch das längste auf ihren Platten und alleine deshalb
außerhalb von Hitverdächtigkeit,
denn Sender spielen in aller Regel nur Songs um die 3 Minuten. Aber für die Länge gibt es auch was:
Ein Vibraphonsolo und 2 je einminütige(!) Soli von Saxophon und Schlagzeug.
Auch der Bass macht sich für 1 Minute während Carlys Gesang selbstständig.
Das Stück erinnert stark an die Jazz-Fusion-Band Steps Ahead mit Mainieri, Brecker,
Bernhardt und Tony Levin, die alle zuvor bei Carly gespielt haben.
Die Jazzmusik kann ihr dafür dankbar sein,
dass sie diesen großartigen Musikern hier soviel "Playground" gegeben hat.
Und ganz nebenbei: Mick Jagger hatte Recht sie eine große Rock-Sängerin zu nennen.
Aber sie ist noch viel mehr: Sie ist auch eine beeindruckende Jazz-Sängerin!
Nach ihrer Zeit bei dem Label Elektra folgten Alben, die mich meist nicht berührt haben.
Aber es gab Ausnahmen, Großes, Unerwartetes, und auch Berührungen ...
- 1980: Come Upstairs
Hier ragen 3 Songs hervor,
die sie mit Mainieri zusammen geschrieben hat und an den Stil von Memorial Day erinnern,
jedoch poppiger sind: James, The three of us in the dark und The desert.
Alle 4 Stücke würden ebensogut auf eine Platte von Steps Ahead passen,
mit Carly als Sängerin. Ein faszinierender Gedanke für Jazz-, aber auch Carly-Fans ...
James ist wohl ihr persönlichstes Stück überhaupt,
jedenfalls kenne ich keins, in dem sie soviel von sich preisgibt.
Das Flehen um mehr Nähe zu ihrem Mann kann einen dabei sehr berühren.
Es ist mehr ein Hilferuf einer Ertrinkenden in einem Meer verlorener Liebe,
woraus sich der für Carly ungewohnt direkte Text ergibt,
denn eine Ertrinkende hat keine Zeit für viel Poesie,
Symbolik und Metaphern. Das kann zwar schnell sentimental werden,
dennoch gelingt es ihr das zu vermeiden.
Ihr Gesang ist zu ehrlich und es ist unüberhörbar, dass sie nicht von irgendeinem Tief,
sondern ihrem jetzigen und brennenden singt.
Bring us together once again bleibt unerhört ... 3 Jahre später folgte die Scheidung.
- 1981: Torch
Nach ihrem Erfolg von You're so vain u.a. Songs sollte man annehmen,
dass ihr musikalischer Background im Rock liegt.
Aufgewachsen aber ist sie im Elternhaus mit Klassik,
Musical und Jazz, was auch ihre latent mitschwebende jazzige Phrasierung
in ihren Rock- und Pop-Stücken anderer Platten erklärt
und die darin manchmal ungewöhnlichen Harmonien und Modulationen.
So war es nur eine Frage der Zeit,
dass sie ausschließlich ein Album mit Musical- bzw. Jazz-Standards singt ...
... wie Not a day goes by von Stephen Sondheim,
der als Librettist von Bernsteins Westside-Story weltberühmt wurde.
Sondheim war im Studio als Carly seinen Song aufnahm und konnte seine Tränen nicht unterdrücken,
so bewegt war er,
was wohl das schönste Kompliment ist, das ein Komponist seiner Interpretin machen kann.
Mir geht es ganz genauso, wie auch bei den folgenden Stücken:
Blue of Blue ist so feinsinnig jazzig und nuanciert phrasiert,
wie ich es auf keiner anderen Aufnahme von ihr kenne.
Besonders hier – aber auch auf der restlichen Platte –
ist Carlys Stimme ungewohnt zurückhaltend, ja fast paralysiert.
Das passt zwar zu den Stücken,
findet aber eher seine Erklärung in der schweren Erkrankung ihres Sohnes
Ben und dem Scheitern ihrer Ehe mit ihrer großen Liebe.
In Carlys Video von Hoagy Carmichaels Klassiker I get along without you very well
ist diese Stimmung nicht nur zu hören, sondern auch zu sehen.
Viele halten diesen Song zu Recht für eines der traurigsten Lieder,
die jemals geschrieben worden sind, und vielleicht sollte man ihn nur dann singen,
wenn man ganz unten ist ... Auch hier ist ihre Stimme manchmal auf der Kippe,
man glaubt feuchte Augen zu hören, welche sehr ansteckend sind.
Vielleicht hat sie auch deswegen – neben ihren Eltern und anderen –
dieses Album denen gewidmet, who made me cry ...
- 1983: Hello Big Man
Schon sehr früh begeisterte sich Carly für die griechische Mythologie von Orpheus und Euridice.
Es sollte immer einen Orpheus in ihrer Welt geben, so schreibt sie in ihren Memoiren (2015)
und brachte mit dem gleichnamigen Lied, einem ihrer schönsten der 1980er diesen Bann zum Ausdruck.
Mit den 1990ern beginnt eine Rückbesinnung auf mehr "naturelle Sounds"
und ein wenig auch auf ihre "klassische Periode" der 1970er.
Aber man sollte einen Künstler niemals auf seine große Zeit festlegen,
es könnte einem etwas dabei entgehen ...
- 1989–91: Amy the Dancing Bear, The Boy of the Bells & The Fisherman's Song
Bereits 1969 hatte Carly mit ihrer Schwester Lucy eine sehr schöne Platte für Kinder gemacht,
und nun für ihre eigenen – Sally und Ben – diese Bücher geschrieben.
Ich bin schon fast nicht mehr erstaunt über ihre vielen Fähigkeiten,
denn zu sehr habe ich mich an das Neuerfinden ihrerselbst gewöhnt und
erwarte mittlerweile gierig das nächste Talent von ihr zu entdecken.
Carly macht hier nicht den Fehler wie manche Kinderbuchautoren,
wenn sie versuchen "kindgerecht" zu schreiben und ins Unerträgliche banalisieren,
'rumkitschen und letzendlich nur die Persönlichkeitsrechte von Kindern verletzen,
weil sie sie offensichtlich für total blöde halten.
Ihre Geschichten bieten keine vorgefertigten Schemata,
sondern lassen der Phantasie von Kindern viel Raum,
durch den sich eigene Phantasie entwickeln kann und nur so kreative Menschen erwachsen können.
Das zeichnet große Kinderbuchautoren aus!
Beeindrucken tut sie noch in der Hörbuchversion mit ihrem leb- und bildhaften Erzählstil.
Man wünscht sich fast in seine Kindheit zurück,
um von dieser Mutter die Gute-Nacht-Geschichten vorgelesen zu bekommen.
Untermalt sind die Hörbücher mit Carlys Musik:
Zu Amy ... ist ihr Bossa Summer's coming around again (1971)
in einer längeren Fassung zu hören und zu The fisherman's song das gleichnamige Stück
in etwas anderer Version als auf der Platte Have you seen me lately.
- 1990: My Romance
... hat dieselbe Machart wie Torch und wurde dieses Mal von Marty Paich alleine orchestriert,
der schon Torch zusammen mit Don Sebesky u.a. arrangiert hat. Besonders My Romance,
What has she got und Bewitched sind sehr gelungen.
Und bei Carlys Gesang von Danny Boy, einem der schönsten Folksongs überhaupt,
sah ich das erste Mal die ... glens, mountains, meadows, her love, her death and sleep in peace,
until Danny come to her .... Es soll der erste Song gewesen sein, den sie als Kind gesungen hat.
Und als Kind sieht man was man singt ...
In den Liner Notes schreibt Carly,
dass sie lange nicht wusste ob sie Tänzerin, Jazz-, Folk- oder
Rock-Sängerin werden wollte, und bevor sie vergaß was sie werden wollte, tat sie es einfach,
was immer es ist. Eine weise Entscheidung ...
- 1990: Have you seen me lately
Fisherman's song gehört für mich zu den schönsten Songs von Carly!
Das Arrangement mit dem fantastischen Gesang ihrer Schwester Lucy und keiner geringeren als
Judy Collins erinnert dabei an die legendären Folksong-Arrangements des berühmten
Countertenors Alfred Deller
mit seinem Vokalensemble und Lautenisten Desmond Dupré,
was diesen Song noch reizvoller macht und damit in Carlys Schaffen eine echte Rarität ist.
Auch die poetische und malerische Liebesgeschichte zwischen likes of me
und einem Fisherman, der ihr ein Versprechen gab,
aber doch seine Freiheit brauchte, erinnert an ein Volkslied.
Einzig das 6-taktige instrumentale Zwischenspiel mit verklärender Modulation verrät,
dass die Provenienz nicht im Volk zu suchen ist.
(... und wieder ist es ein Walzer! ...)
Aber dieser Song kommt nicht aus dem Nichts:
Auf der erwähnten Kinderplatte von 1969 vertonte Lucy Poesie von Robert Louis Stevenson,
Robert Burns, Lewis Caroll, Edward Lear u.a.
mit wunderschönen Melodien, die an Volkslieder erinnern und von denen besonders
die Solo-Stücke herausragend sind:
Calico pie und Who has seen the wind (Lucy), sowie A red, red rose (Carly),
ebenso die Duette The lamplighter, The lamb und A pavane for the nursery.
Manches erinnert auch hier an die Aufnahmen von Deller.
Einen guten Folksong zu schreiben, ist das eine,
aber einen zu schreiben,
der gleichermaßen – Musik und Geschichte – nach einem Lied aus dem Volk klingt,
ist eine der Königsdisziplinen der Komposition und eines der größten Komplimente,
die man Carly machen muss.
- 1992: This is my Life
Der wunderbare Titelsong Love of my life zu diesem Film
spinnt sich wie ein roter Faden durch den Soundtrack,
bei dem Carlys erst 15-jähriger Sohn Ben Gitarre spielt,
der zwar schon früher mit seiner Schwester Sally im Background auf den Platten seiner
Mutter gesungen hat, aber ab nun ein häufiger Begleiter werden sollte, bevor er –
ebenfalls wie seine Schwester – eigene CDs aufnahm.
In einer anderen Fassung desselben Songs spielt kein geringerer als Jean "Toots" Thielemans,
der mit seiner Mundharmonika bisher jeden Song mit einer der menschlichen Stimme gleichen
Patina überziehen konnte.
Carly hatte schon zu einigen Filmen Lieder geschrieben,
aber weder zuvor noch danach einen so persönlichen Soundtrack. Was sollte man auch anderes erwarten,
wenn man ihn "Uncle Peter" (Peter "Snake Hips" Dean) widmet, dem Onkel,
den sie als Kind über alles geliebt hat,
der ihr die ersten Ukulele-Stunden gegeben hat und sie musikalisch beeinflusste
wie kaum ein anderer.
Ohne Uncle Peter wäre ihr musikalischer Weg wohl anders verlaufen ...
Bei Back the way kann man sich vorstellen,
wie Carly und der 1988 verstorbene Uncle Peter dieses Stück zusammen gejammt hätten.
Denn außer Ukulele zu spielen, sang er auch und scattete leidenschaftlich,
spielte Jazzplatten ein und war der Manager u.a. von Paul Whiteman,
der ja bekannterweise Gershwins Rhapsody in Blue 1924 uraufführte.
Wer seine Platten kennt, weiß,
dass seine Nichte nicht nur ein Stück in "Uncle-Peter-Manier" geschrieben hat,
ihr Gesang (und Pfeifen!) ist hier auch genauso swingig und flippig ... und scatten kann sie auch.
Ein liebenswertes Juwel unter ihren Aufnahmen! ... Thank you, Uncle Peter!
- 1994: Romulus Hunt
... a Family-Opera ... alles klar, jetzt schreibt sie auch noch Opern.
Das mögen manche vorurteilend gedacht haben, auch ich ein klein wenig,
aber meine Zweifel wurden schnell zerstreut ...
Eigentlich habe ich eine Aversion gegen die entsetzliche Ver-CrossOver-risierungs-Welle.
Die Qualität geht meistens gegen Null und erinnert an die berühmte Tante
– jeder hat so eine in der Familie –, die gerne hip sein wollte,
aber viel hipper gewesen wäre, wenn sie einfach geblieben wäre, wie sie war:
hoffnungslos altmodisch und eindimensional, aber liebenswert schrullig und vor allem "authentisch".
Es gibt aber auch andere Tanten – die die meisten nicht haben –,
George Gershwin war so eine:
Zwar mit klassischer Musik aufgewachsen, aber mit Musicals,
der "Rockmusik" des beginnenden 20. Jahrhunderts das erste Geld verdienend,
doch immer mit der klassischen Musik liebäugelnd. Das Ergebnis:
Rhapsody in Blue und Porgy and Bess.
Tante Gershwin mag auch schrullig gewesen sein, was man auch sein muss
um auf "solche Ideen" zu kommen.
Aber Gershwin war nicht eindimensional, sondern multidimensional, er war einfach genial!
Aus dem CrossOver wurde eine authentische und perfekte Symbiose, die allen seinen Einflüssen
– Musical, Jazz, Ragtime und Klassik – gerecht geworden ist.
Und Tante Carly ist nicht anders ...
Sie hat es mit ihrem langjährigen Freund
Jacob Brackman (Libretto) geschafft eine Oper zu schreiben, die ihre Einflüsse
– Rock, Pop, Jazz, Folk, Musical, Brasilianische Musik etc. und Klassik –
ebenfalls zu einer überzeugenden Symbiose verbindet. Die Instrumente, klassische wie elektronische,
sind zu einem Sound verschmolzen, wie man sich ein "Symphonieorchester" vorstellen könnte,
wenn es erst Ende des 20. Jahrhunderts erfunden worden wäre.
Zweifelsohne hat Carly durch den Klassik- und Musical-Background
einen Riesenvorsprung vor anderen Rock- und Popgrößen
um ein solches Projekt zum Erfolg zu bringen. Nicht nur dass Uncle Peter sie beeinflusste:
Durch die Verlagstätigkeit ihres Vaters Richard,
dem Co-Founder von Simon & Schuster kannte er George Gershwin,
Vladimir Horowitz, Benny Goodman, Arthur Schwartz, Richard Rodgers,
Oscar Hammerstein und viele andere Musikgrößen,
von denen etliche auch im Elternhaus ein und aus gingen
und Carly manche persönlich kennengelernt hat, und natürlich auch ihre Musik.
Darüberhinaus spielte ihr Vater sehr gut Klassik auf dem Klavier, und die
übrige Familie war ebenso infiziert von Musik und sang bei jeder Gelegenheit und Ungelegenheit.
Ist es da noch ein Wunder,
dass man als Singer-Songwriter von You're so vain bei den etlichen Einflüssen
derartig sicher zwischen den Stilen spazierengehen kann?
Ein Riesenlob auch an alle Musiker der CD-Produktion,
besonders aber an den jungen Andrew Leeds,
den Darsteller des 12-jährigen Romulus,
der stimmlich und im Ausdruck einzigartig ist! Wie kann man in diesem Alter solche Reife haben?
- 1994: Letters Never Sent
Der Titelsong Letters never sent ist die funkigste Eigenkomposition,
nicht zuletzt auch durch das coole Arrangement von Teese Gohl,
der mit Carly seit 1990 zusammenarbeitet.
Auf dieser Platte findet sich auch eine der interessantesten und faszinierendsten Stücke von ihr:
Private. Auch hier möchte man meinen, wie schon bei After the storm und Haunting,
dass sie in einem Meer von Chromatik,
ungewöhnlichen Modulationen und mystischen Wendungen baden und abtauchen,
sich befreien und verlieren will. Man wird mehr erfahren,
wenn man den ebenso "chromatischen" Text versteht und es einem gelingt die geniale Symbiose
aus Poesie und Musik zu entschlüsseln.
Bis dahin kann man in einem Meer aus Wort- und Tonmalerei baden ...
- 1994: Baseball
Ken Burns
hat mit seinen zahlreichen Dokumentationen – hier über Baseball –
Meilensteine gesetzt und dieses Genre wie kein anderer geprägt.
Als sein Fan muss ich Carlys Version der "Baseball-Hymne" Take me out to the ballgame
natürlich erwähnen. Dieser Klassiker ist 1908 in der Song-Schmiede Tin-Pan-Alley entstanden,
in der ja auch George Gershwin großgeworden ist,
und erinnert an Carlys Back the way (1992) ...
Ukulele ... und Uncle Peter ... these are the good old days ...
- 1995: Clouds in my Coffee
Raining ist eine unbeachtete Perle unter Carlys Liedern.
Das Gesangsintro im Playback ist ein wunderschöner Opener dieses sanft,
wie leichter aber alles beherrschender Regen vor sich hinplätschernde Stück.
Man sieht die Regentropfen an einem Sprossenfenster herunterlaufen
und hört im Hintergrund rastlos spielende Kinder, und der Text beschreibt ein eher
tristes Dasein an einem Regentag.
Die Musik aber lässt in Widerspruch dazu die Wolken draußen und
nicht in den wohlduftenden heißen Kaffee hinein,
der auf dem Tisch vor dem Sprossenfenster neben einer Kerze steht.
Es ist kein großer Song, aber ein wunderschöner.
Es ist keine große Malerei, doch ein Gemälde.
Es ist nur ein Moment, aber vielleicht macht es ihn gerade deswegen so besonders ...
- 1995: Live at Grand Central
Ein Konzert im New Yorker Hauptbahnhof zu geben, um die neue CD Letters never sent zu promoten,
ist schlicht eine geniale Idee.
Noch erstaunlicher aber ist das Ergebnis: Die Musiker spielen und interagieren hervorragend,
die Arrangements und Performance sind großartig und die problematischen Soundverhältnisse
in einer Halle bestens gemeistert. Carlys Stimme ist hier sehr rauh und laut, fast heiser,
und man hat den Eindruck, dass sie etwas wegschreien will.
Das tut aber dem Gesang keinerlei Abbruch, im Gegenteil:
Es gibt dem Konzert eine live-haftige und erdige Note.
Auch sind manche Songs mitreißender als in ihrer Studiofassung. Kurz: Ein fabelhaftes Konzert!
Und die Studioversion von We have no secrets (1972) kann man zwar
schlecht mit dieser Live-Version vergleichen, denn beide sind so großartig wie unterschiedlich.
Aber als Liebhaber brasilianischer Musik geht mir diese Bossa-Version direkt ins Herz,
Carlys Pfeiffen ist auch wieder da, und die letzte Note des Stücks und Konzerts,
das c im tiefen Tenor(!) ist unglaublich sexy ... back down to earth ...
- 1997: Film Noir
... ist ein Gesamtkunstwerk und für mich Carlys wichtigstes Album außerhalb der 1970er Jahre!
Das Repertoire ist mit dem von Torch und My Romance vergleichbar,
in seiner Konzeption aber wesentlich enger gefasst.
Außer auf Jazz-Titel fokussiert es sich auf Musik in der Stimmung des Film Noir
der 1940er und -50er Jahre.
Die Arrangements wurden ebenfalls in diesem Stil geschrieben von Jimmy Webb –
dem Komponisten von Up, up and away und By the time I get to Phoenix,
und der auf Carlys CDs von nun an häufiger mit ihr zusammenarbeiten sollte – sowie
Arif Mardin, Torrie Zito und Van Dyke Parks.
Auch kommt ein Oberdämpfer-Piano zum Einsatz,
das das nostalgische Moment hervorhebt und Carly bereits unverwechselbar bei
Julie through the glass (1971) eingesetzt hat.
Die Liner-Notes wurden natürlich von einem Regisseur geschrieben,
der selber vom Film Noir beeinflusst ist: Martin Scorsese.
Auch Carlys Stimme ist ganz auf das Repertoire eingestellt und
passt hervorragend zu dem Genre dieses Albums.
Ihre Stimme klingt hier reifer und hat eine leicht rauhe Patina bekommen,
die ihrer ohnehin tiefen Lage und ihrem Timbre eine "schwarze" Stimmung gibt.
So singt sie bei Lili Marleen und Laura ein H, das also im Bariton liegt!
2 Jahre zuvor erreicht sie bei Davy sogar ein A auf dem Konzert im New Yorker Hauptbahnhof,
wo sie auch bei We have no secrets ein c im tiefen Tenor singt
(ein cis in der Fassung von 1972).
Dagegen nehmen sich ihre höchste Note f '' bei One man woman (1978) oder
es'' bei Share the end (1971) und Riverboat Gambler (1976)
im hohen Alt für eine Frau unauffällig aus.
Und bei Fairweather Father (1976) erreicht sie zugleich ein hohes e''
und 2 Takte später ein tiefes c.
Der Vergleich mit Zarah Leander, die in der Tiefe dieselbe Lage hat
und in ihrer Version des Ave Maria immerhin auf ein B kommt,
drängt sich einem auf. Aber das war's dann auch schon,
denn das Pathos von Leander lässt einen weiteren Vergleich nicht zu.
Man kann sich keine bessere Stimme als Carlys vorstellen,
wodurch, wie auch in jeder anderen Hinsicht hier ein Konzeptalbum entstanden ist,
welches in seiner Konsequenz selten zu finden ist.
Fast alle Lieder sind meiner Meinung nach – nicht nur durch Carlys fantastische Leistung
– in ihrer besten Fassung überhaupt zu hören.
Das gilt besonders für Lili Marleen,
das durch die kammermusikalische Besetzung – Klavier, Mandoline, Akkordion –,
das wunderbare Arrangement und die verschobene Metrik zwischen 4/4- und 6/8-Takt
zu einem neuen Erlebnis wird. Das gilt auch für Hoagy Carmichaels
Two sleepy people mit einem überraschenden John Travolta(!) als Gesangspartner und ebenso für
Spring will be a little late this year in einem wundervollen Duett mit Jimmy Webb.
Und aus Otto Premingers oscarprämierten Film-Noir-Klassiker Laura von 1944
ist der gleichnamige Jazz-Standard zu hören, mit mystischem Text,
so geheimnisvoll wie die bildschöne Hauptdarstellerin Gene Tierney.
Von daher lag es für Carly wohl nahe dieses Stück mit ihrem ebenfalls "dunklen" Haunting
(1978) zu verbinden ... als ob beide Stücke schon immer zusammen gehört hätten.
Danach folgte im selben Jahr ein Film Noir mit dem Titel Diagnose Brustkrebs,
der ganz untypisch für dieses Genre ein Happy End hatte ...
- 2000: The Bedroom Tapes
... Nach erfolgreicher Operation und Chemotherapie folgte im Abspann dieses Films eine
musikalische und spirituelle Heilung:
Was gibt es Besseres als mit Scar, diesem wunderbaren Walzer
einen Dämonen in den Hintern zu treten?
Und falls ein Walzer nicht reicht, gibt es noch einen ebenso wunderbaren hinten drauf:
Whatever became of her ... waltzing the demon away ...
- 2005: Moonlight Serenade
Von den oben erwähnten Freunden ihres Vaters war Arthur Schwartz einer der engsten.
Mit seinem langjährigen Kollegen und Texter Howard Dietz schrieb er 1932 das Musical
Flying Colors mit dem zum Jazz-Standard gewordenen Alone together.
Hier als Bossa in kleiner Besetzung arrangiert,
ist es Carlys favorite song on this album und meiner auch!
Und dann ist da noch das fantastische Alt-Saxophon von Doug Webb.
Würde es Paul Desmond im Himmel hören,
wäre er verdutzt diesen Song jemals eingespielt zu haben ...
- 2006: Into White
... ist ein sehr schlicht gehaltenes Album. Besetzung, Arrangement,
Musik und Interpretation sind auf's Wesentlichste reduziert
und haben im besten Sinne "Hausmusik-Flair"
(um nicht das inflationäre und oft missbrauchte "Unplugged" zu verwenden).
Quiet evening beginnt ähnlich wie der Anfang von
Debussys Prélude La cathédrale engloutie.
Die aufsteigende Pentatonik fängt im 6/8-Takt an und überlappt
sich dabei synkopisch mit dem einsetzenden 4/4-Takt der anderen Instrumente.
Eine tolle Idee zu David Saws
wunderbarer Erstlingskomposition, die für Carly (und mich) das Highlight dieser CD ist.
Das wunderschöne Volkslied I gave my love a cherry
(auch Riddle-Song) geht auf das 16. Jahrhundert zurück und findet sich mit ähnlichem Text
I will give my love an apple, aber anderer Melodie in der Diskographie von
Alfred Deller. Auch wenn es ein Rätsel-Song ist, ist es doch vor allem ein Poem voller Weisheit und Liebe.
So steht auch für Carly die Zeile
The story of I love you, it has no end im Vordergrund und ihre anhaltende Liebe zu
... my first elevator man ... Und dann ist da noch das Liebeslied Devoted to you,
das sie mit ihrem (Ex-)Mann James Taylor 1978 aufgenommen hat,
und der Stephen-Foster-Klassiker Oh! Susanna,
den James schon 1970 einspielte, und sein Hit You can close your eyes,
den der "Rest" der Familie – Carly, Sally & Ben –
in großartiger Coverversion (auch dank des Arrangements von Teese Gohl) eingesungen hat.
Auch wenn es nicht in den Liner-Notes steht, das Album wirkt wie eine Hommage an den Künstler,
aber vor allem an die große Liebe und den Vater ...
... The three of us in the dark are singing themselves into white ...
- 2008: This Kind of Love
Carlys zerkratzeste Platten waren in ihrer Jugend u.a. die von
Antonio Carlos Jobim.
Seine und Luiz Bonfas Musik
zu dem Film Orfeu Negro aus dem Jahr 1959 sollten ihr Leben für immer verändern,
wie auch der Film selbst.
Schon mit 19 nahm sie mit ihrer Schwester Lucy Cuddlebug als Bossa auf,
in einem zu der Zeit üblichen Mainstream-Cover der brasilianischen Welle.
1971 folgte ihr erster eigener Bossa Summer's coming around again,
welcher aber originär nach Carly klingt. Weitere Beispiele hatte ich genannt,
und bei meinem o.g. Vergleich mit Elis Regina werde ich mir immer sicherer,
dass sie und Carly wesensverwandte Sängerinnen sind,
deren Lebensweichen sie jedoch auf unterschiedliche Gleise geführt haben.
Von daher war es nur eine Frage der Zeit, dass Carly, angeregt von Jimmy Webb,
nun ein brasilianisches Album macht,
auch wenn nicht jeder Song in diesem Stil komponiert oder arrangiert ist.
Der Titelsong This kind of love ist großartig und eine wunderbare Überraschung:
Wie bei ihrem ersten Bossa gelingt es ihr auch hier,
sich von jeglichem Ge-covere eines Stils fernzuhalten und in der wunderbaren
brasilianischen Musik so selbstverständlich zu spielen,
wie ein Kind in einer fremden Sandkiste, in der das Spielen Herkunft und Eigentum vergessen lässt.
Ein großes Lob auch an Aaron Heick,
der ein unglaublich geschmeidiges Sopransaxophon spielt.
People say a lot ist ein grooviger Rap über die "Verlässlichkeit" mancher Versprechungen.
Und schon 1960 wusste Jobim ein Lied davon zu singen:
... many people who can talk and talk and talk and just say nothing ...
(Samba de uma nota só). Eigentlich kann ich mit Rap nichts anfangen,
aber schon der Joke-Rap Hotcakes hat mich begeistert,
und dieser tut es auch, denn Carly talk and talk and talk and just say all,
auch musikalisch ...
So many people to love: Wow, was für ein Song!
Zuerst dachte ich an einen unveröffentlichten Song von Stevie Wonder.
Erst Monate später las ich (was nicht in den Liner-Notes stand),
dass Carly hier in Michael-Jackson-Mood singen wollte,
was auch den groovigen Smooth-Soul in diesem Song erklärt.
Aber egal ob sie nun an Stevie oder Michael gedacht hat,
es ist ihr souligster Song überhaupt,
und für mich – als "größter" Fan von Stevies Musik der 1970er Jahre –
einer der schönsten die sie aufgenommen hat.
Too soon to say goodbye ging sofort durch und durch:
Melodie, Text, Arrangement und besonders die Fragilität in ihrer Stimme,
die so verletzlich und nahbar klingt.
Ich liebe ihre Rockröhre bei You're so vain und Vengeance etc.,
aber ihr Gesang hier trifft wesentlich tiefer und bringt mich jedes Mal zum Weinen ...
Auch hier hatte ich erst viele Monate später die Entstehungsgeschichte gelesen:
Dass sie an dem Tag der Aufnahme krank war,
aber trotz Anratens ihres Sohnes den Song nochmal aufzunehmen, diese Stimmung festhalten wollte.
Und dass sie das Lied nach dem gleichnamigen Buch ihres Freundes benannt hat,
den erkrankten und wenig später verstorbenen Publizisten und Pulitzerpreisträger Art Buchwald,
der sie um einen Song bat.
Er, dem sie und Jobim das Album widmete, hörte ihn täglich und musste weinen ...
Welch Analogie einer stillen Sprache, die jeder verstehen kann, wenn er dazu bereit ist ...
So wie Carly es gelungen ist einen Walzer
für ein Neugeborenes (Julie through the glass) zu schreiben,
hat sie das eigentlich Unmögliche geschafft,
einen Walzer für einen Sterbenden zu komponieren und den Song mit gebrochener Stimme zu leben
und nicht zu interpretieren.
Es gehört als Sänger viel Mut dazu sich so nackt zu geben,
womit sie unendliche Tiefe und gesanglich ihre größte Leistung erbracht hat.
Geburt und Tod liegen sehr nah beieinander,
und keine anderen Momente im Leben können mehr Liebe versprühen.
Hierzu die "Filmmusik" schreiben zu können, ist eine der größten Künste ...
Epilogue:
Als Carly die Musik von Caetano Veloso und Jorge Ben gerademal 1 Jahr vor ihrem
"brasilianischen" Album This kind of love kennenlernte,
war sie geschockt (s. Liner-Notes).
So ähnlich ging es mir als ich Carly entdeckte. Es war das erste Mal,
dass mir etwas Bedeutendes so lange entgangen ist,
und wer in seinem Leben etwas Wichtiges übersehen hat, muss geschockt reagieren,
besonders wenn man sich davon ernährt ...
Seit ich mich erinnern kann, sammel' ich alles was von Wert ist oder ich dafür halte,
wie ein sammelwütiges Eichhörnchen, das Futter für den ewigen Winter um sich schart,
welches umso vollwertiger ist, je mehr man über das Futter weiß.
Das ging mir so mit den Rolling Stones, Stevie Wonder,
Antonio Carlos Jobim, João Gilberto, Elis Regina, Chico Buarque, João Bosco,
Burt Bacharach, Manuel de Falla, Bill Evans, Erik Satie, Heitor Villa-Lobos, George Gershwin,
Maurice Ravel, Charles Ives, J.S. Bach, Gaspar Sanz, Luys Milán, Ernst Schele, Joachim van den Hove,
Johannes Nauclerus, Petrus Fabricius, ... und bevor ich langweile, höre ich auf. ...
Ich muss dem Geheimnis von Größe auf die Spur kommen,
den Schatz bergen, der vor meinen Füßen liegt und mir ewige Glückseligkeit bringen wird.
Und bergen heißt ernähren, verinnerlichen, verstehen, mit allen Sinnen er- und begreifen.
Man kann es auch einfach nur Liebe nennen ...
In den ersten und meisten Fällen blieb es beim Sammeln.
Bei Jobim, Evans und Satie wurden es darüberhinaus Editionen einzelner Stücke,
bei Bach, Milán und Sanz Gesamtausgaben ihrer Lauten-, Vihuela- und Gitarrenmusik, und bei Schele,
Hove, Nauclerus und Fabricius wissenschaftliche Erstausgaben ihrer Lautenbücher,
die mich z.T. an ihre Geburtsorte und Wirkungsstätten geführt haben und ich ihre bis dahin
weitgehend unbekannte Biographie nachzeichnen konnte.
Ich kann und will nicht anders,
denn große Menschen und ihre Kunst verdienen diese Wertschätzung und Liebe,
und sie zu verstehen, heißt selber ein Stück größer zu werden. Auch deshalb gibt es diese "Rubrik"
With a little help ... Stardust.
Nun glaubte ich musikalisch alles unübersehbar Wichtige gesichtet zu haben
– die obige Aufzählung ist fernab von jeglicher Vollständigkeit –,
und stolperte erneut über Carlys Hits You're so vain und Nobody does it better,
denn beide Stücke waren nicht einfach nur gut, sie ließen erahnen,
dass sich hinter dieser großen Künstlerin auch ein vielseitiges Talent verbirgt,
die mit diesen Hits nur einen sehr kleinen Teil ihres Könnens verraten hat.
Ein Sampler sollte mir einen Eindruck über den "Sammelwert" geben und das
Eichhörnchen in mir startete eine erneute Futter-Expedition in eine Terra incognita,
trotz ablehnenden Verhaltens meines Portemonnaies und Platz' in meinem Haus.
Aber die beiden haben bei einem Besessenen sowieso nichts zu sagen ...
und so bewirkte der Kauf einer Platte den Kauf von zweien, und die wiederum von vieren und so weiter.
Gut, dass sich Carlys Platten auf 27 (davon 3 mit Lucy und eine Oper) beschränken,
wenn auch einige Konzert-Videos, Hörbuchmusiken, etliche Sampler,
Filmsongs und natürlich Gastaufnahmen auf Platten anderer hinzukommen.
Und die oben beschriebene Ahnung sollte sich schnell konkretisieren:
Carly ist mit so gut wie allem was sie gemacht hat absolut authentisch. Findet man noch viele Künstler,
die Rock, Pop, Blues und Folk gut miteinander verbinden können, gibt es weitaus weniger,
die dazu auch Funk und Soul bedienen. Aber spätestens wenn Jazz,
brasilianische und klassische Musik hinzukommen, glaubt man seinen Ohren nicht zu trauen,
zumal sich alles anhört, als ob Carly die geborene Interpretin für jeden dieser Stile sei.
Und dabei ist sie nicht nur Sängerin, sondern auch Gitarristin, Pianistin, Komponistin,
Texterin, Arrangeurin, Casterin (ihrer Musiker) und Produzentin.
Jede dieser Tätigkeiten ist ein Beruf für sich und umso
unglaublicher ist ihr geniales Allroundtalent,
auch wenn sie einige dieser Aufgaben hin und wieder an andere abgegeben hat.
Zwar ist jeder Musiker irgendwann alleine aus pragmatischen und finanziellen
Gründen zu einer solchen multiplen "Berufung" gezwungen,
aber Carly deckt über einen langen Zeitraum all diese Tätigkeiten ab,
und zwar erfolgreich und mit ausdruckstarkem Tiefgang. Ich kenne keinen anderen Künstler,
der so wandlungsfähig ist,
ohne sich nicht für eine längere Zeit oder gar für immer zu verlieren.
Diese enorme Vielseitigkeit zeigt sich – neben dem Hören ihrer Diskographie –
auch durch einen Blick auf die Musiker, mit denen sie gespielt hat:
Laurindo Almeida, Burt Bacharach, Rubens Bassini, Jay Berliner, Warren Bernhardt,
Michael & Randy Brecker, Jackson Browne,
Billy Cobham, Judy Collins, Rita Coolidge, Jon Faddis, Joe Farrell, Victor Feldman,
Steve Gadd, Eric Gale, Teese Gohl, Eddie Gomez, Jim Gordon, Don Grolnick,
Marvin Hamlisch, Aaron Heick, Mick Jagger, Dr. John, Howard Johnson,
Carole King, Will Lee, Tony Levin,
Mike Mainieri, Rick Marotta, Linda & Paul McCartney, Michael McDonald, Gary McFarland,
Willie Nelson, Marty Paich, Van Dyke Parks, Billy Preston, Lee Ritenour, Linda Ronstadt,
Dave Sanborn, Don Sebesky, Bud Shank, Lucy & Joanna Simon, Ringo Star,
Grady Tate, Ben & Sally Taylor, James Taylor, Richard Tee, Jean "Toots" Thielemans, John Travolta,
Luther Vandross, Nana Vasconcelos, Klaus Voormann, Doug Webb, Jimmy Webb, Stevie Wonder,
Phil Woods ... und und und ... Eine schräge wie illustre Mischung ...
Wie ist solch' Vielseitigkeit möglich? Ein Teil der Antwort liegt in ihrer Kindheit.
So schreibt sie 2006 zur Wiederveröffentlichung ihrer Platten mit Lucy über die abendliche
Lektüre von Whitman, Tennyson,
Shakespeare und Eugene Field und dem sich daraus entwickelnden Sinn für Humanismus,
besonders, wenn der Vater danach Bach, Beethoven, Brahms, Strauss,
Debussy und Liszt spielte und so aus dem fernen Wohnzimmer in den Schlaf begleitete.
Kaum eine andere Beschreibung wirft einen so tiefen Blick auf
Carlys intellektuellen,
kulturellen und musikalischen Background, zu dem noch Uncle Peter,
die "Jazz-Freunde" des Vaters, ihr späteres Faible für Jobim und der Einfluss von Rock,
Pop, Folk und sicherlich auch James dazukommen.
Eine kleine Erklärung für ein großes Multitalent.
Carly ist eine große Künstlerin, das ist nicht neu.
Aber wie groß sie ist und welch' Bedeutung sie in der Musikwelt und -geschichte hat,
wird sich erst in ferner Zukunft zeigen ...
Nun sind es aber ebenmal nicht diese Art von medieninkompatiblen Wahrheiten,
die man in den Medien finden kann, sondern medienkompatible Schlagzeilen,
wie sich im letzten Jahr zeigte:
Jedenfalls wurden meine geringschätzigen Erwartungen in Medien und Netzwerken erfüllt,
als kurz nach der Veröffentlichung ihrer Memoiren (2015)
über sie kaum anderes zu lesen war, als dass u.a. Warren Beatty in
You're so vain gemeint ist und was sich Sean Connery unter einem "Simon-Sister-Sandwich"
vorstellt. Natürlich spielt man mit dem Feuer, wenn man in seinen Erinnerungen über solches schreibt
und sollte genau wissen, was die Medien daraus machen werden.
Das aber nahm gerade mal 1 von über 300 Seiten ein, auf denen wesentlich wichtigere und
tiefgründig poetische Lebensbeschreibungen stehen, aus denen man viel mehr über sie erfährt,
und letztlich auch aus ihren Liedern, wenn man nicht gerade ein metaphorischer Kleingeist ist.
Wenn es also das gute Recht der Medien ist darüber zu schreiben, um den eigenen Voyeurismus
und den ihrer Leser zu bedienen, wo bleiben dann die Inhalte der anderen 300 Seiten?
Letztlich sind es die schlagzeilengeilen Medien und ihre ebensolche Kundschaft, die für diese völlig
missverhältige Rezeption verantwortlich sind und nicht Carly.
Um diese Eloge auf Carly abzurunden, sollten natürlich auch die Preise und
Auszeichnungen erwähnt werden. Darauf verzichte ich aber bewusst,
da sie sich selten genug an Qualität und zu oft an Verkaufszahlen orientieren
und den Blick ebenso oft auf die Kunst in ihrer
Subtilität und Nuanciertheit verstellen.
Auch wenn jedem Künstler diese so überlebenswichtigen Anerkennungen gegönnt seien,
man erfährt immer mehr durch ein Lesen des Künstler und nicht über ihn zu lesen.
Und das ist bei Carly sehr einfach,
denn für eine so bekannte Persönlichkeit ist sie erstaunlich offen, nicht nur in ihrer Musik,
sondern auch in Interviews und Schriften.
Das macht sie zwar angreifbarer, aber auch menschlicher.
Dabei ist diese Offenheit weder berechnend noch affektiert und man spürt,
dass sie gar nicht anders kann.
Und so ist ihre Selbstbeschreibung I don't know how to not be myself
zugleich Lebenscredo und der wohl rotestete Faden in ihrem Leben.
Wie sehr sie "sich selbst ist",
zeigt u.a. ihr Umgang mit ihrer großen und immer noch währenden Liebe zu James:
I've stopped trying to stop loving, was kein Masochismus ist,
sondern das Leben leichter, ehrlicher und zufriedener macht.
Wie sollte man jemanden nicht lieben können, dessen Gene in den Kindern stecken,
die man über alles liebt? (Memoiren 2015).
... Eine bewundernswerte und weise Lebenseinstellung, die aber sehr viel Stärke erfordert ...
Und um nochmal auf meine oben genannten Favoriten zurückzukommen,
für die ich mich monetär, mit meinem Platz im Haus und meiner Lebenszeit zu verschulden bereit bin:
Welche Unterschiede von Carly zu Bach und den anderen z.T. schon
toten Männern gibt es also in ihrem vollwertigen Futter
und von dem man sich mit allen Sinnen ernähren will?
Keine! Aber Carly sieht wesentlich besser aus als Bach ...
© 2016 by Ralf Jarchow
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